Maria Höfl-Riesch: »Gold muss geschmiedet werden!«

»Gold muss geschmiedet werden!«
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Maria Höfl-Riesch, eine der erfolgreichsten Skirenn-läuferinnen der Welt, teilt in diesem spannenden  Interview mit Quantum, Einblicke in ihre Karriere, persönliche Herausforderungen und ihre Tätigkeit als Keynote Speakerin.

Quantum (Q): Sie sind bereits in jungen Jahren in den Spitzensport eingestiegen. Was hat Sie damals motiviert, diesen Weg einzuschlagen, und wer waren Ihre wichtigsten Unterstützer?

Maria Höfl-Riesch (MHR): Es waren meine Eltern, die mich schon früh zum Sport gebracht haben. Von Anfang an war es der Spaß am Skifahren, der mich motiviert hat. Damals war es natürlich nicht greifbar, wohin mich das führen würde. Mein Ziel, im Weltcup mitzufahren, hat sich im Laufe der Jahre vom Kindheitstraum zum realen Ziel entwickelt. Die Richtung zum Profisport kam erst im Alter von 14 Jahren. Meine Eltern haben mich und meine Geschwister immer voll und ganz unterstützt. Gerade für die Eltern hängt viel daran, ihren Kindern solche Träume zu erfüllen. Meine Mutter hat uns von der Schule abgeholt und direkt zur Gondel gefahren, damit wir früh auf dem Berg sind. Mein Vater hat am Wochenende unsere Skier präpariert, und das bei drei Kindern. Da steckt für Eltern natürlich jede Menge Aufwand dahinter. Es sind schöne Kindheitserinnerungen, die ich an meine Anfänge habe.

Q: Gab es in Ihrer Karriere eine besondere oder prägende Herausforderung, die Ihnen geholfen hat, mental zu wachsen?

MHR: Im Prinzip ist die ganze Karriere eine Herausforderung. Es geht eigentlich schon im Nachwuchsalter los. Wenn man ehrgeizig ist, dann will man gewinnen. Das ist schon bei Kinderrennen so und später auch bei Europacuprennen. Der ganz große Druck, auch der mediale, der kam dann später. Ich war von klein auf immer ein Wettkampftyp. Unter Druck konnte ich immer irgendwie über mich hinauswachsen. Das ist ein Problem, das viele andere Sportler haben, dass sie genau das nicht können. Das sind dann die sogenannten Trainingsweltmeister, die bei den Rennen extrem nervös sind. Das Problem hatte ich zum Glück nie. Für mich waren meine Verletzungen natürlich eine große Herausforderung. Ich habe mir zweimal das Kreuzband gerissen, einmal rechts und einmal links.

»Auch als Individualist ist es entscheidend, dass im Team Harmonie herrscht. Nur so können sich alle gegenseitig pushen und der Erfolg bleibt nicht aus.«

Es hat schon eine Weile gedauert, sich da dann wieder rauszukämpfen und das zu überwinden. Da habe ich Mentaltraining probiert, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass das eigentlich nichts für mich ist, dass ich mich da selber wieder raus kämpfen muss. Es hat eine Weile gedauert, was nach einer solchen Verletzungsgeschichte normal ist, aber ich habe es geschafft. Alle großen Erfolge kamen eigentlich erst danach. Ich weiß aber auch von Kollegen, sowohl bei mir im Team als auch international, denen ein Mentaltraining weitergeholfen hat, weil sie eben von Natur aus nicht diese Nervenstärke haben.

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Q: Sind Sie also durch Ihre Verletzungen gewachsen?

MHR: Ja, im Nachhinein betrachtet kann man das sicher so sehen. In der damaligen Phase, habe ich das sicher nicht so gesehen, Ich war frustriert und habe innerhalb von zwei Jahren zwei Großereignisse verpasst, einmal die WM und einmal Olympia. Damals war ich wirklich am Hadern und natürlich auch am Zweifeln ob das jemals wieder wird. Speziell nach der zweiten Verletzung, die ja doch lange Probleme gemacht hat, und nicht so reibungslos wie der erst Kreuzbandriss verlief. Ich habe viele Wochen gar nicht richtig trainieren können und schon ein bisschen Panik bekommen, dass ich zur nächsten Saison nicht richtig fit werde und nochmal eine Saison verpasse. Das wäre dann schwierig geworden denn wenn man 3 Jahre komplett weg ist, muss man sich schon überlegen, ob das noch Sinn macht und ob es überhaupt noch möglich ist wieder zurückzukommen. Aber das Gute war, es ist ja doch noch was geworden in dem Jahr. Ich natürlich eine Saison gebraucht, in der ich wieder Vertrauen fassen und mich auch körperlich erst mal wieder zurückkämpfen musste. Aber dann, im Nachhinein betrachtet muss ich sagen, dass ich schon in der Zeit gelernt habe, mich durchzubeißen und dass ich auch wirklich dran bleibe auch wenn es aussichtslos und schlecht aussieht und dass man es trotzdem schaffen kann wenn man seine Ziele konsequent verfolgt.

Sowohl in der Wirtschaft als auch im Sport
spielt es eine große Rolle ein gutes Team um
sich zu haben. Was könnten Sie zum Thema
Team und Teamdynamik sagen?

Ja, ich glaube, das kann man gut vergleichen weil es ist ja auch in Firmen um Teams in Abteilungen geht. In diesen Teams gibt es gewisse Hierarchien, wo sich der eine mal ein bisschen ungerecht oder schlecht behandelt fühlt. Diese Probleme gibt es in unseren Teams auch. Noch dazu sind wir eigentlich Individualsportler, die ja nur im Team reisen und trainieren. Da ist es noch schwieriger. Ich denke in einer Firma, in der ein ganzes Team am gleichen Projekt oder an derselben Sache arbeitet, da ist der Teamgedanke einfach da. Aber auch im Leistungssport ist es auch für jeden Individualisten ganz wichtig, dass die Skier funktionieren, dass Harmonie herrscht, dass man sich auch gegenseitig pusht und durch starke Leistung gegenseitig antreibt. Ich glaube, das ist sowohl im Sport als auch in Firmen oder in der Wirtschaft ein ganz entscheidender Faktor, damit am Ende das Team, aber auch jeder Einzelne, Erfolg hat.

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Sie sind heute eine erfolgreiche keynote
Speakerin. Könnten Sie uns mehr über
Ihre aktuellen Projekte sagen?

Das Thema Keynote Speaker baue ich gerade aktiv aus und habe dazu viele Anfragen. Es geht ja genau um die Themen über die wir gerade reden. Vieles kann man auf jeden Lebensbereich umlegen. Sowohl in der Wirtschaft als auch im Privatleben hilft der ein oder andere Spruch oder Leitsatz. Das macht mir sehr viel Spaß weil ich auch merke, dass das Feedback der Zuhörer sehr positiv ist. Ansonsten bin ich nach wie vor für einige Brands aus meiner aktiven Laufbahn unterwegs. Für Head mache ich im Winter immer mal wieder etwas und ich bin diesen Winter bei Weltcup Rennen für einige Sponsoren unterwegs. Es gibt immer wieder Charity Projekte, die ich unterstütze. Es ist immer irgendwas zu tun. Ich schaue aber auch, dass ich hin und wieder mal Sport mache und das Leben genießen kann.

Was wären ihre zwei besten Leitsätze für die heutige Wirtschaft, die sich gerade einigen Herausforderungen gegenüber sieht?

„Das Geheimnis des Könnens liegt im Wollen“. Ich glaube schon, wenn man wirklich etwas will, dann ist es der wirkliche Wille, der ganz ganz wichtig ist, um das zu erreichen, was man möchte. „Wo Talent aufhört fängt Fleiß an“. Das habe ich genau in der Zeit, in der ich verletzt war gelernt. Vor meinen Verletzungen ging alles recht einfach bzw. einfach ist es nie im Leistungssport. Ich musste für meine ersten Erfolge vielleicht nicht ganz so hart arbeiten wie andere weil ich einfach viel Talent hatte. Aber als ich dann verletzt war, hab ich gemerkt, okay jetzt reicht das Talent alleine nicht mehr. Ich musste wirklich was tun um da wieder raus zu kommen, um wieder den Anschluss an die an die Weltspitze zu finden.

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„Gold muss geschmiedet werden“ Es geht nichts von heute auf morgen, man muss immer dran bleiben, immer weitermachen und nie sein Ziel aus den Augen verlieren. Wenn es einmal ein paar Schritte zurück geht muss man sich vielleicht kleinere Zwischenziele setzen aber das große Ziel nie aus den Augen verlieren und kämpfen, kämpfen, durchbeißen, durchbeißen.

Sie sind ja an der Weltspitze gewesen. Um dahin zu kommen benötigt man auch gute Coaches und Trainer. War Mental-Coaching für Sie eine Option, um sich weiter zu verbessern?

Ich glaube, das ist eine Typsache. Für mich war es nicht unbedingt notwendig weil ich schon immer mental stark war. Ich habe auch Niederlagen schnell verarbeiten können. Wenn ich mal ein Rennen vergeigt habe, verursachte das bei mir kein Trauma. Mich haben Niederlagen eher angespornt, am nächsten Tag besser zu sein. Außer in meiner Verletzungszeit habe ich nie die Veranlassung für ein Mentaltraining gehabt. Wie schon gesagt, ich habe es einmal ausprobiert, wie man eben alles ausprobiert um vielleicht noch ein paar Prozent rauszuholen, aber es war einfach nicht so meins. Einer Teamkolleginnen hat mentales Training sehr wohl weitergebracht, die im Europacup alles gewonnen hat, aber sobald sie im Weltcup am Start war hat das Nervenkostüm versagt. Ihr hat das Mentaltraining sehr geholfen und sie ist dann sogar Weltmeisterin im Riesenslalom geworden Ich glaube für Mentaltraining muss man der Typ sein und ich glaube, das gibt es in der Geschäftswelt genauso.

»Work-Life-Balance hätte ich zu meiner aktiven Zeit eher Work-Regeneration-Balance genannt, denn Pausen und Regeneration sind essenziell, um langfristig erfolgreich zu sein.«

Auf der einen Seite die mental Starken, die sich von nichts aus der Bahn werfen lassen, die so ein Selbstvertrauen haben, dass sie sich von Fehlern und Rückschlägen nicht negativ beeinflussen lassen. Auf der anderen Seite dann diejenigen, die sich alles zu Herzen nehmen und auf die sich dann schon der kleinste Rückschlag sehr negativ auswirkt. Die brauchen sicher ein mentales Coaching, mentale Unterstützung.

Also, spielt das Mindset ab einem bestimmten Punkt in der Karriere oder im privaten Leben die entscheidende Rolle?

Mindset ist auf jeden Fall ein wesentlicher Punkt. Die größte Rolle würde ich nicht sagen, da kommen, speziell im Sport, viele andere Faktoren dazu. Die körperliche Fitness muss passen, das Material muss stimmen und dann auch die Tagesform. Es hat jeder mal einen schlechten Tag.
Wenn dir das als Sportler genau am Tag vom Rennen passiert, na ja, das ist dann sehr ärgerlich. Es gehört natürlich viel Glück dazu, dass am Tag X alles zusammenspielt. Manchmal hat man einfach Pech – etwa, wenn bei deiner Startnummer plötzlich eine Wolke aufzieht oder die Sicht schlecht wird. Doch bei Dingen, die man beeinflussen kann, sollte man sich bestmöglich vorbereiten und gewappnet sein.

Wenn Sie auf Ihr Leben und Ihre Karriere zurückblicken, gibt es es Ratschläge, die Sie jüngeren Leuten geben würden?

Es kommt natürlich immer auf den Sport an. Einem Skifahrer würde ich sagen, dass man auch im Team immer ein Stück weit seinen Egoismus bewahren und trotzdem Teamplayer sein muss. Das ist ähnlich wie in einer Sportart, bei der man zwar im Team agiert, aber dennoch für sich selbst kämpft. Diese Gratwanderung – gleichzeitig Teamplayer und Individualist zu sein – muss gut gelingen, denn sie ist entscheidend für den Erfolg. Das Gleiche gilt auch in Unternehmen, wo der Teamgedanke eine zentrale Rolle spielt, um gemeinsam erfolgreich zu sein.

Was sind beruflich Ihre nächsten Ziele?

Ich habe viele Anfragen als Keynote Speakerin im neuen Jahr. Das möchte ich weiter ausbauen darin wachsen. Dann möchte ich meine neue Lebenssituation gut in den Griff bekommen, gesund bleiben und hoffentlich viel Ski fahren. Die Dinge, die ich auch die letzten Jahre gemacht habe weiter machen. Ich bin für Firmen im Einsatz, engagiere mich in Charity-Projekten, und all das bereitet mir große Freude. Ich bin sehr glücklich und dankbar dafür, dass ich das nach meinem Karriereende alles machen konnte und auch weitermachen kann.

Ihr Vortragstitel als Keynote Speakerin heißt: „Gold muss geschmiedet werden“. Worum geht es dabei?

Es geht um Erfolg, Erfolgsdruck, wie gehe ich mit Rückschlägen um, wie komme ich aus Rückschlägen wieder gestärkt hervor, auf seine Stärken vertrauen, nach oben kommen und oben bleiben, eben um alles was mir in meinem Leben als Sportler passiert ist.

Der Begriff Work Life Balance ist heutzutage in aller Munde. Wäre Ihre Karriere so erfolgreich gewesen wenn Sie die sogenannte Work Life Balance gelebt hätten?

Natürlich ist Work Life Balance eine Auslegungssache. So wie der Begriff heutzutage meist ausgelegt wird ist es eher nicht sehr erfolgsorientiert. Da geht es dann eher darum nicht so viel zu arbeiten um genug Freizeit zu haben. Ich hätte das in meiner aktiven Zeit eher Work Regeneration Balance genannt denn für einen Sportler ist es auch sehr wichtig, dass er genug Zeit zum Regenerieren hat. Es ist so, dass man permanent unter einer hohen Belastung steht, sowohl mental als auch körperlich. Da ist es schon wichtig, dass man sich seine Pausen nimmt, was aber nicht heißt, dass man sich zwei Tage faul auf die Couch legt. Es ist dann auch eine aktive Regeneration und unter dem Aspekt natürlich auch wieder Work.

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Es hätte nie funktioniert, wenn ich in der Vorbereitungsphase einmal eine Woche in Urlaub gefahren wäre. Natürlich braucht man seine Regenerationsphasen die braucht jeder, der auch im Job unter Druck steht und jeder, der etwas erreichen möchte. Aber auf der anderen Seite muss man, um nach oben zu kommen und Erfolg zu haben, sich zu gut deutsch auch mal den Hintern aufreißen und auch mal über die Komfortzone hinausgehen. Dann kann man sich auch wieder eine Regenerationsphase gönnen und das muss man auch. Aber manchmal muss es halt auch weh tun. Heutzutage kommt es mir oft so vor als versteht man den Begriff so als ob gar nichts mehr weh tun darf.

Wenn Sie ein Learning aus Ihrer Karriere weitergeben könnten, welches wäre das?

3 Learnings habe ich, die ich auch immer am Ende meiner Vorträge nenne. Erstens, das Ziel im Auge behalten. Auch wenn man mal zurückgeworfen wird und sich Zwischenziele setzen muss – Ziel nie aus den Augen verlieren. Es gibt nichts Schlechtes, was nicht auch was Gutes hat auch wenn es nur die Erkenntnis ist, wie man es beim nächsten Mal besser machen kann, und es ist auch wichtig, dass man Rückschläge so positiv wie nur möglich nutzt. Das Dritte ist Sich seine Stärken immer vor Augen halten.

»Der Weg ist oft steinig und holprig, aber wenn man den Gipfel erreicht, weiß man, wofür sich die Mühe gelohnt hat.«

Es gibt Situationen, die aussichtslos erscheinen oder wo man denkt, wie soll ich das jetzt schaffen. Das war damals bei mir in Val d‘Isère so als ich endlich mal wieder bei einem Großereignis am Start stand als Top Favoritin im Slalom. Aber die ganze WM lief schlecht. Ich hatte in dieser Saison zwar Slalom Rennen im Weltcup gewonnen aber stand am Start obwohl ich total Angst hatte was passiert oder nicht passiert. Da habe ich mich dann auf meine Stärken besonnen, dass ich vor ein paar Wochen wieder ein Weltcup Rennen gewonnen hatte und dass es irgendwie zu schaffen sein muss eine Medaille zu gewinnen. Es ist auch wichtig, dass man auch in ausweglosen Situationen auf seine Stärken vertraut und ich glaube dass das das Selbstvertrauen stärkt und dann kann man alles schaffen.

Frau Höfl-Riesch, vielen Dank für Ihre Zeit— (nw)

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