
Marcus Deutsch
CHEF oder DIENER?
Ineffektive Führung bremst Unternehmen, hemmt Innovation und steigert Fluktuation
Führung wird oft mit Macht gleichgesetzt, doch wahre Führung bedeutet Verantwortung, Respekt und Dienst am Team. Während traditionelle Hierarchien bröckeln, stellen sich entscheidende Fragen:
Brauchen wir mehr „Servant Leadership“ oder wird das Konzept nur romantisiert? Warum versagen so viele Führungskräfte, wenn es um echte Verantwortung geht? Und wie können Unternehmen endlich von innen heraus wachsen, statt sich in bürokratischem Stillstand zu verlieren?
Das Prinzip „Führen heißt Dienen“ geht weit über traditionelle Hierarchien hinaus.
Es fordert von Führungskräften, die Bedürfnisse ihrer Teams und ihrer Organisation in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei spielen Werte wie Integrität, Mut und Zuversicht eine Schlüsselrolle. Gerade heute, in Zeiten von Unsicherheit, Antriebslosigkeit und zunehmendem Egoismus, brauchen Unternehmen und Gesellschaften Führungspersönlichkeiten, die Vorbilder sind und Verantwortung nicht scheuen.
In der japanischen Kultur gibt es das Konzept des „Giri“, einer tiefen Verpflichtung, der Gesellschaft und den Mitmenschen zu dienen. Dieses Prinzip zeigt, wie sehr ein dienendes Verständnis von Führung tief in einer Kultur verankert sein kann. Auch wenn aktuell Japan mit Demographie und einer geringen Motivation kämpft, inspiriert es uns, Verantwortung nicht als Bürde, sondern als Ehre zu betrachten. Der Ansatz findet sich auch in der amerikanischen Kultur wieder, wo das Konzept des „servant leadership“ zunehmend an Bedeutung gewinnt. Hierbei steht der Erfolg der Gemeinschaft über dem individuellen Erfolg, eine Philosophie, die gerade in Zeiten des Umbruchs als Leuchtturm dienen kann.
Was “Dienen” in der Unternehmenswelt bedeutet
Dienen heißt nicht, sich selbst aufzugeben. Es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und andere dabei zu unterstützen, ihr Potenzial zu entfalten. Als Berater und Board Advisor habe ich immer zuerst zugehört: Was bewegt die Menschen in diesem Unternehmen? Wo liegen die Herausforderungen? Und vor allem: Welche Lösungen sind nicht nur kurzfristig effektiv, sondern auch langfristig tragfähig? Ich diene damit dem Unternehmen – ich bedanke mich auch bei Personen, die einfach ihren Job als was auch immer richtig (Reinigung, Fahrer, Wachschutz, etc.) gut gemacht haben. Auch wenn es viele unsichere Menschen im ersten Moment irritiert, mein Respekt, den ich damit zum Ausdruck bringe, wird später deutlich. Unterscheide nie zwischen Pförtner und Vorstand.
»Jede Veränderung
birgt eine Chance –
wer sie erkennt und
mutig ergreift, formt die
Zukunft nach seinen
eigenen Werten.«
Seid korrekt: Die Basis des Erfolgs
In meinem beruflichen Werdegang habe ich stets das Prinzip „kosher & korrekt“ verfolgt. Dieses Fundament ist nicht nur ein ethischer Kompass, sondern auch eine strategische Notwendigkeit. Eine Organisation kann nur dann nachhaltig erfolgreich sein, wenn die Grundlage stimmt: saubere Prozesse, transparente Daten und ein ehrlicher Umgang miteinander. Besonders im Shop-floor, wo die eigentliche Wertschöpfung stattfindet, zeigt sich, wie entscheidend diese Basis ist. Es bedarf Mut, Missstände anzusprechen und Veränderungen anzustoßen, doch genau hier liegt der Schlüssel zu echtem Fortschritt und Veränderung zum Guten.
Ein Beispiel aus meiner Erfahrung als Board Advisor verdeutlicht dies: In einem Produktionsunternehmen stellte ich fest, dass die Berichterstattung durch intransparente Silo-Daten erheblich verzerrt wurde. Es erforderte Mut, dies vor dem Board anzusprechen und eine umfassende Bereinigung der Prozesse einzuleiten. Doch die Ergebnisse sprachen für sich: Innerhalb weniger Monate konnten nicht nur die Datenqualität verbessert, sondern auch erhebliche Effizienzsteigerungen erzielt werden. Dieses Ergebnis war nur möglich, weil alle Beteiligten – von der Führungsebene bis zum Shopfloor – das Prinzip „trust & transparency“ mitgetragen haben.
Mehr Eigenverantwortung
Als Freiberufler habe ich über zwei Jahrzehnte vorgelebt, was es bedeutet, Verantwortung für das eigene Handeln und die eigene Existenz zu überneh- men. Dies war für mich immer an dem US-amerikanischem Modell angelehnt: Freiheit bedeutet Verantwortung. Während viele Angestellte durch die Covid-Pandemie egoistischer, bequemer und teils auch weniger belastbar geworden sind, ließ diese Option dem Freiberufler und Unternehmer keine Wahl.
Wir mussten uns neu erfinden, weiterentwickeln, bilden und mit Zuversicht neue Wege gehen. Unternehmer und Freiberufler sehen Möglichkeiten, wo andere Risiken sehen, und kümmern sich aktiv um ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden – sowohl mental als auch physisch. Freimaurer luden mich ein, da sie von mir den Satz hörten: „wenn jeder sich gut um seinen Mikrokosmos kümmert, ist der Makrokosmos automatisch auch in Ordnung“. Dieses eigenverantwortliche Denken & Handeln ist es, was wir wieder in unserer Gesellschaft brauchen. Hier ein Beispiel aus meiner Praxis als Unternehmensberater:
Einführung eines Shopfloor-Management-Systems
Ein mittelständisches Unternehmen aus der Automobilzulieferer-Branche wollte mit mir die Produktivität steigern und gleichzeitig die Qualität sichern. Die Geschäftsleitung entschied sich nach intensiven Gesprächen mit mir, ein Shopfloor-Management-System zu implementieren, das auf den Prinzipien von Transparenz, Kommunikation und Eigenverantwortung basiert. Im Ergebnis:
- Tägliche Team-Meetings direkt in der Produktion: Jeden Morgen treffen sich die Teams direkt am Shopfloor zu kurzen Besprechungen, bei denen Kennzahlen wie Produktionsvolumen, Ausschussquote und Fehlzeiten visualisiert und besprochen werden. Die Mitarbeiter haben die Möglich-keit, Probleme oder Verbesserungsvorschläge direkt anzusprechen. Ein Schichtführer schlägt vor, die Werkzeuge für die Rüstzeiten besser zu organisieren, und reduziert so die Umrüstzeit um 20 %.
- Problemlösungs-Workshops: Bei wiederkehrenden Problemen (z. B. hohe Ausschussquote in einer bestimmten Montagelinie) setzen sich Mitarbeiter, Teamleiter und Qualitätsmanagement zusammen, um die Ursachen zu analysieren. Ein Werker identifiziert, dass fehlerhafte Bauteile auf unzureichende Wartung der Maschinen zurückzuführen sind. Daraufhin wird ein Wartungsplan entwickelt, den das Team selbstständig umsetzt.
- Kennzahlen-Boards zur Selbststeuerung: Jede Abteilung erhält ein visuelles Management-Board, das ihre täglichen Leistungen zeigt. Die Teams übernehmen Verantwortung, Abweichungen selbstständig zu analysieren und Maßnahmen zu ergreifen. Ein Mitarbeiter in der Logistik erkennt, dass verspätete Materiallieferungen die Produktion verzögern, und schlägt vor, die Bestellmengen für häufig genutzte Teile zu erhöhen (Einführung eines Kanban-Systems für C-Teile-Management).
»Die Zukunft gehört denen,
die den Wandel nicht fürchten.«
Gesellschaftliche Stabilität durch Shopfloor-Management
- Stärkung der Mitarbeiter: Die Einbindung der Mitarbeiter in Entscheidungs-prozesse steigert deren Motivation und Selbstbewusstsein. Sie fühlen sich als wichtiger Teil des Unternehmens und übernehmen Verantwortung für ihren Bereich.
- Verbesserung der Produktqualität: Durch die Reduktion von Fehlern und Ausschuss wird das Vertrauen der Kunden gestärkt, was langfristig zur Stabilität des Unternehmens beiträgt.
- Förderung von Teamarbeit: Die tägliche Zusammenarbeit in Meetings und Workshops stärkt den Zusammenhalt und sorgt für ein gemeinsames Zielbewusstsein.
- Nachhaltigkeit: Effizienzsteigerungen reduzieren Ressourcenverbrauch und Produktionskosten, was einen positiven Beitrag zur Umwelt leistet. Wertschöpfung findet direkt am Shopfloor statt, die Basis muss stimmen. Gleichzeitig zeigt es, wie Eigenverantwortung auf Mitarbeiterebene nicht nur den wirtschaftli-chen Erfolg sichert, sondern auch das Unternehmen stabiler und resilienter gegenüber externen Krisen macht.
Outside-in und Bottom-up: Perspektiven für nachhaltigen Erfolg
In meiner heutigen Arbeit als Board Advisor & Beirat (mit 20 Jahren Erfahrung als Interim CFO) betone ich stets die Bedeutung der „outside-in“- und „bottom-up“-Perspektiven. Während die „outside-in“-Sichtweise es ermöglicht, externe Trends und Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und in die strategische Planung einzubeziehen, stellt der „bottom-up“-Ansatz sicher, dass die tatsächlichen Herausforderungen und Potenziale auf operativer Ebene nicht übersehen werden. Diese Kombination ist der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg – interviewen Sie mich hierzu gern vor Ort.
Ein Beispiel aus meiner Praxis zeigt, wie diese Ansätze ineinandergreifen: In einem mittelständischen Unternehmen, das mit stagnierendem Wachstum zu kämpfen hatte, analysierte ich zunächst die externen Marktbedingungen und identifizierte Chancen in neuen Zielmärkten. Gleichzeitig sprach ich intensiv mit den Mitarbeitenden auf operativer Ebene, um ihre Perspektiven und Verbesserungsvorschläge zu verstehen. Die daraus entwickelte Strategie führte nicht nur zu einem Umsatzwachstum von 15 % innerhalb eines Jahres, sondern auch zu einer deutlich höheren Mitarbeiter-zufriedenheit und -bindung.
Wahre Führung bedeutet, nicht
über andere zu herrschen, sondern
sie zu stärken – mit Integrität,
Mut und der Bereitschaft,
Verantwortung zu übernehmen.
Mut und Zuversicht als Treiber für Innovation
Mut bedeutet, sich nicht von der Angst vor Fehlern lähmen zu lassen. Zuversicht bedeutet, an den Erfolg und an die eigene Fähigkeit zu glauben, Hindernisse zu überwinden. Diese Haltung ist in unserer heutigen Zeit essenziell. Unternehmen, die von Freiberuflern profitieren, holen sich nicht nur Fachwissen ins Haus, sondern auch frische Impulse und den unermüd-lichen Antrieb, Neues zu wagen. Doch dafür braucht es die Bereitschaft, externe Perspektiven zuzulassen und Risiken in Chancen zu verwandeln.
Ein weiteres Beispiel aus meiner 20-jährigen Laufbahn als Interim CFO verdeutlicht dies: In einer Branche, die stark von traditionellen Strukturen geprägt war, schlug ich vor, innovative Technologien einzuführen, um Prozesse zu automatisieren und die Produktivität zu steigern. Trotz anfäng-licher Skepsis gelang es, die Führungsebene von den Vorteilen zu überzeugen. Die Implementierung führte nicht nur zu erheblichen Kosten-einsparungen, sondern auch zu einer deutlichen Verbesserung der Wettbe-werbsfähigkeit.
Mein Rat als heutiger Unternehmensberater, die Kannibalisierung mit einem Wettbewerber zu beenden und mehr auf die eigenen, profitablen Produkt-reihen zu setzen, wurde unternehmensweit befolgt und man wurde endlich wieder erfolgreich. Wechselwillige Mitarbeiter zogen ihre Kündigungen zurück, man traf sogar wieder auf ein Lächeln oder einen flotten Spruch bei den KollegInnen in der Kantine.
Gesellschaft im Wandel: Das Glas halb voll sehen
Klimawandel, wirtschaftliche Unsicherheiten und Unzufriedenheit stellen uns vor Herausforderungen. Doch die Lösung liegt in Eigenverantwortung und einer positiven Haltung. Jeder kann seinen Beitrag leisten, indem er aktiv an einer besseren Zukunft arbeitet.
Fazit: Führung und Gesellschaft neu denken
Die Zukunft gehört denen, die Mut und Zuversicht vorleben und Verantwortung übernehmen. Das Prinzip „Führen heißt Dienen“ zeigt: Wahre Stärke liegt im Unterstützen, nicht im Beherrschen. Indem wir „kosher & korrekt“ handeln, Mut zeigen und das Glas halb voll sehen, können wir Unternehmen und Gesellschaft nachhaltig verändern.
Autor
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Marcus Deutsch – Krisenfester CFO mit Weitblick, Hartnäckigkeit & Humor Marcus Deutsch ist ein erfahrener CFO und Unternehmensberater, der Krisen als Chance zur Neuausrichtung begreift. Mit 20 Jahren als Interim-CFO und Krisenmanager verbindet er analytische Präzision mit unternehmerischem Gespür – stets hartnäckig, loyal und lösungsorientiert. Sein Prinzip: „Man muss Menschen mögen“ – denn nachhaltiger Erfolg entsteht im Miteinander. Sein Gemeinschaftssinn und seine Zuversicht treiben ihn an, Unternehmen auch in schwierigen Zeiten zu stabilisieren und neu auszurichten. „Kosher & korrekt“ ist sein Maßstab, „pacta sunt servanda“ sein Versprechen – und sein Humor bleibt selbst in der Krise unerschütterlich.
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