
Marcel Wickert
Einmal IRONMAN mit Führungswandel bitte!
Grenzerfahrung Ironman:
Was der Triathlon über Führung lehrt
Wie verwandelt man Herausforderungen in Chancen und entwickelt sich dabei persönlich und beruflich weiter? Der Erfahrungsbericht von Marcel Wickert zeigt, wie die Vorbereitung auf einen Ironman-Triathlon seine Perspektive auf Führung grundlegend verändert hat. Mit praktischen Einblicken und inspirierenden Erlebnissen beleuchtet der Artikel, wie zielorientiertes Denken und die Fähigkeit, Verantwortung abzugeben, nicht nur sportliche, sondern auch unternehmerische Erfolge ermöglichen können.
“Marcel, you are an Ironman!”
Als der Moderator diese Worte auf dem Frankfurter Römer in sein Mikrofon brüllt, bin ich inzwischen seit über 14 Stunden auf den Beinen. Verletzungen und Krankheiten im Vorfeld, Materialschäden im Rennen und die immer wieder pochende Frage: Komme ich an? – Alles ist in diesem Moment vergessen. Ein kleiner Junge hängt mir grinsend eine Medaille um und in diesem Moment realisiere ich, was ich da eigentlich gerade geschafft habe.
Als Geschäftsführer eines kleinen Unternehmens begann ich vor acht Jahren meine beschauliche Reise in die Selbstständigkeit. Nachdem mein Chef mir offenbarte, dass er ohne mich planen wird, stand meine Entscheidung schnell fest und ich begann in meinem kleinen Heimbüro das Abenteuer „Unterneh-mer werden“.
Rückschläge, Erfolge, Wachstum, Angst, … all die klassischen Themen eines Selbstständigen bestimmten damals den Alltag. Doch nach einiger Zeit und ersten erfolgreichen Schritten wuchs die kleine Agentur und die ersten Mitarbeiter durchzogen das neu angemietete Büro mit ihren Schritten.
Damals lag der Fokus auf klassischem Management – Aufgaben wurden spontan verteilt, oft ohne klare Struktur. Wer am lautesten Schrie, erhielt die meiste Aufmerksamkeit und meine anfängliche Führung lebte im Wesentlichen von ad-hoc-Entscheidungen und meinem intensiven Einsatz.
Wirklich jeder Arbeitsschritt und erst recht jede Entscheidung lief über meinen Schreibtisch. Mein Arbeitsalltag damals: Aufgaben verteilen, kontrollieren, es verbessern, es streichen und am Ende doch selbst machen.
Die Reise beginnt
Dies wurde erst Jahre später durch eine persönliche Entscheidung grundle-gend beeinflusst: Ein Freund hatte mich zur Teilnahme an einem Volkstri-athlon überredet. Von Krämpfen geplagt und mit blutenden Zehen, fällte ich noch während des Rennens (oder besser Überlebenskampfes) eine Entschei-dung. “Was wäre das Unmöglichste, das Krasseste, was ich jetzt machen kann?” Noch in derselben Woche meldete ich mich zur Teilnahme am Ironman an.
Mein Alltag umfasst plötzlich vollkommen andere Themen: In welchen Schuhen habe ich am wenigsten Schmerzen, welche Schwimmbrille passt am besten, wie viel Bar sollten meine Reifen haben und was isst man in der Vorbereitung zum Ironman? Alles vor dem einen Hintergrund: Die Ziellinie erreichen.
Beim Training ging es nicht nur darum, fit zu werden. Vielmehr begann ich damit, jeden Bereich meines Lebens effizienter zu gestalten. Mein Training verlangte Planung, die Balance von Ernährung und Erholung, und alles fokussierte sich auf das große Ziel, den Ironman erfolgreich zu meistern.
Doch ohne zu merken, übertrug sich diese Denkweise Schritt für Schritt auf meine Rolle als Geschäftsführer: Plötzlich stellte ich mir Fragen, wie ich das Unternehmen so strukturieren kann, dass ich nicht in jedes Detail eingebunden bin. Wie kann ich effizienter arbeiten und wie kann das Team strukturierter und mit mehr Fokus agieren?
Die Auswirkungen
Früher war mein Führungsstil direkt und bestimmend – eine Aufgabe wurde zugewiesen, und ich kontrollierte die Umsetzung. Jetzt veränderte sich mein Ansatz und ich gab zunehmend Verantwortungen ab. Früher hatte ich klare Erwartungshaltungen in die einzelnen Arbeitsschritte, heute geht es darum, Mitarbeiter bei der Zielerreichung zu unterstützen und handlungsfähiger zu machen. Dies merkte ich ganz besonders während eines unserer Meetings. Ich saß in meinem Stuhl und hörte den Ausführungen der anderen zu und lehnte mich zurück, während die Diskussion Fahrt aufnahm und nach und nach zu einer kreativen und sehr guten Lösung führte.
Früher wäre ich der Gesprächsführer gewesen, hätte scharfe Fragen gestellt und meine Lösung über das Team gestülpt, um danach jeden Arbeitsschritt zu überwachen. Hier wurde mir klar, dass alle Teilnehmer die formulierten Schritte ohne mein Zutun und ganz in Eigenregie umsetzen werden.
Diese Umstellung beeinflusste das Team nachhaltig. Es wirkte, als hätte jeder Einzelne nur auf diesen Wandel gewartet – plötzlich wurden bisher unge-nutzte Ressourcen freigesetzt, und die Atmosphäre im Büro wurde lebendiger. Wo früher oft Trägheit den Alltag bestimmte, ging es heute zu wie in einem Taubenschlag. Die Teamleistung stieg, und ich konnte mich stärker auf das große Ganze konzentrieren. Die Umstellung auf eine zielorientierte Führung ermöglichte mir die Freiheit, mich auf wesentliche Aufgaben zu fokussieren, statt in Details verloren zu gehen.
So wie ich im Training eine Methode nach der anderen testete und optimierte, um besser zu werden, lernte ich, auch im Unternehmen effizienter zu werden. Ich musste nicht mehr jeden einzelnen Schritt des Teams kontrollieren, sondern konnte darauf vertrauen, dass auch andere Wege zum Ziel führen.
So fokussierte ich mich darauf, meine Mitarbeiter darin zu bestärken, eigene Lösungen zu finden und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen. Heute sehe ich die Vorteile dieses Führungsstils klar vor Augen: Freiheit, mehr Fokus auf strategische Entscheidungen und ein enormer Zugewinn an Spaß.
Mein Fazit
Meine Medaille hängt genau dort, wo meine unternehmerische Reise begonnen hatte: In meinem Heimbüro und direkt neben dem Monitor.
Als Symbol steht sie für mich natürlich für eine einmalige Erfahrung, aber mindestens genauso viel für die eigentlichen Möglichkeiten, die in uns stecken.
Abschließend möchte ich allen Führungskräften, die ihre Methoden hinterfragen, empfehlen, den aktuellen Engpass zu identifizieren und unbedingt einmal außerhalb des beruflichen Alltags nach neuen Ideen zu suchen. Meine eigene Erfahrung hat gezeigt, dass echte Veränderung oft aus einer völlig anderen Perspektive kommt, sobald sich die Komfortzone verschiebt und es einen neuen Fokus braucht – und dies kann sowohl im Sport als auch in der Führungskraft einen ungeahnten Fortschritt bewirken.
Kernaussage
Marcel Wickert beschreibt, wie die Teilnahme am Ironman sein Leben und seinen Führungsstil grundlegend verändert hat. Während er früher durch direkte Kontrolle und spontane Entscheidungen führte, lernte er durch die intensive Vorbereitung und Zielorientierung im Sport, Verantwortung abzugeben, effizienter zu planen und sein Team zu stärken. Dieser Wandel setzte neue Energien frei, förderte Kreativität und Eigenverantwortung im Team und erlaubte ihm, sich auf strategische Aufgaben zu konzentrieren.
Seine Ironman-Erfahrung symbolisiert für ihn die Kraft, durch Überwindung von Grenzen und Veränderung neue Erfolge zu erzielen – sowohl im Sport als auch im Berufsleben. Wickert empfiehlt Führungskräften, ihre Methoden zu hinterfragen und neue Perspektiven zu suchen, um nachhaltigen Fortschritt zu erzielen.