Wie steht die Kirche zum Umgang mit neuen Technologien wie KI?
Bruder Paulus:
Die Kirche steht neuen Technologien wie KI grundsätzlich offen gegenüber. Schon immer nutzte sie neue Möglichkeiten, ob durch Reisen oder heute durch technologische Entwicklungen. Die Prinzipien der Bibel gelten auch hier: Das Geschaffene ist nicht Gott, und jede Technik sollte Gerechtigkeit und Frieden fördern.
Worin liegt bei KI die größte Herausforderung?
B.P.:
Die größte Herausforderung bei KI ist, verantwortungsvoll mit ihr umzugehen. Wir müssen reflektieren, welche Konsequenzen ihre Nutzung hat und sensibel entscheiden, was vertretbar ist. Besonders begrüßenswert ist daher, dass der AI Act Unternehmen zur Schulung ihrer Mitarbeitenden verpflichtet – dies ist jedoch noch wenig bekannt.
Wie kann KI Ihrer Meinung nach ethisch eingesetzt werden?
B.P.:
Ethisch eingesetzt, kann KI unsere Arbeit und das Miteinander verbessern. Es gilt stets, Menschlichkeit zu bewahren und über mögliche blinde Flecken nachzudenken. Die Technik sollte dazu beitragen, soziale Probleme zu lösen, etwa durch Prävention von Armut und Fehlstarts im Leben von Kindern.
Wie können Führungskräfte KI in ihren Teams fördern, ohne dabei die menschlichen Werte zu vernachlässigen?
B.P.:
Für Führungskräfte bedeutet dies, KI klug in den Arbeitsprozess einzuführen, Vorbehalte anzuerkennen und durch klare Zielvorgaben den Teamgeist zu stärken. Der Einsatz von KI darf die menschlichen Werte nicht verdrängen, sondern muss durch gemeinsame Verantwortung begleitet werden.

Wie sehen Sie die Zukunft von KI in Bezug auf soziale Gerechtigkeit und ethische Prinzipien?
B.P.:
Um soziale Gerechtigkeit durch KI zu fördern, braucht es klare gesetzliche Regelungen, die allen zugutekommen. Der AI Act ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn KI kann helfen, soziale Ungleichheiten und schädliche Muster sichtbar zu machen.
Ist das Ende der Geisteswissenschaften gekommen und KI übernimmt?
B.P.:
Das wurde schon oft eingeläutet (lacht). Ja, es entstehen neue Berufsbilder – denken Sie nur an das Prompt Engineering: Die Ausgabe von Sprachmodellen wie ChatGPT, Midjourney oder Gemini zu steuern und zu verbessern, um präzise und kontextuell relevante Eingaben zu formulieren, um die gewünschten Antworten von der KI zu erhalten. Aber ist das nicht höchste geistige Arbeit: Sich zu überlegen, was ich will. Für wen ich es will. Was ich nicht will. Und was alles berücksichtigt werden soll? Und welche Kontexte zu beachten sind? Mir jedenfalls hilft KI durch das Prompting, mir sehr vertiefte Gedanken zu machen …
Haben Sie Beispiele, wie KI bereits positiv eingesetzt wird, um Menschen zu helfen?
B.P.:
In München habe ich die Kurator-Stiftung kennengelernt, die mit ChatGPT Kleinstanträge an die Stadt München automatisiert haben. Solche Anwendungen können Ehrenamtlichkeit unterstützen. Der Traum ist, KI zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit und sozialen Problemen einzusetzen, indem sie als demokratisches Werkzeug eine neue Zugänglichkeit schafft.
Was raten Sie Menschen, die sich mit der Nutzung von KI überfordert fühlen?
B.P.:
Seien Sie geduldig. Sie müssen nicht alles sofort können. Es ist wichtig, klein anzufangen und Schritt für Schritt vorzugehen. Die wirkliche Lebensfreude kommt aus dem menschlichen Dialog und der Verbindung mit unserer Umwelt. Trauen Sie sich, andere nach deren Erfahrungen zu fragen. Nutzen Sie KI. Sie kann ein Werkzeug sein, aber Sie sollten sich davon nicht dominieren lassen. Spielen Sie mit den Möglichkeiten, die Ihnen das Werkzeug bietet. Es ist ja unendlich geduldig. Vergessen Sie aber nicht: Es ist eine Rechenmaschine, und wie sie kombiniert, kann sehr falsch sein. Das ist gut zu wissen. Denn schon daran sieht man: Ohne den (Mit-)Menschen, den ich fragen kann und ohne mein Wissens- und Gewissensurteil ist KI am Ende. Und nichts.
Kernaussage
Künstliche Intelligenz (KI) bietet wertvolle Möglichkeiten, um soziale Probleme anzugehen und unsere Arbeit zu unterstützen, doch ihre Nutzung erfordert eine ethische Auseinandersetzung und verantwortungsvolle Handhabung. KI sollte nicht die menschlichen Werte und den persönlichen Dialog verdrängen, sondern als Werkzeug dienen, das unsere Menschlichkeit wahrt und fördert. Die Integration von KI in Gesellschaft und Wirtschaft kann gelingen, wenn wir uns der Grenzen und Risiken bewusst sind und KI als Hilfsmittel zur Förderung von Gerechtigkeit und sozialem Nutzen einsetzen.
Ein Interview mit:
Bruder Paulus Terwitte
Kapuzinerkloster St. Anton – München
persoenlich@bruderpaulus.de