Die Big Five der Führung

Führung betrifft uns alle. Einer gibt die Richtung vor, andere folgen – aber motiviert und erfolgreich? Gute Führung ist entscheidend, besonders in Extremsituationen. Werfen wir einen Blick auf drei Branchen, in denen Führung über Leben und Tod entscheidet.
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Wir alle führen. Einer gibt die Richtung vor – andere folgen. Doch folgen sie motiviert? Erfolgreich? Dafür brauchen Sie und ich (und manche Nation): gute Führung. Wie geht das? Vergessen wir den Normalfall. Gehen wir gleich in den Extremfall und untersuchen drei Branchen, in denen Führung über Leben und Tod entscheidet:

Die Elite

Spezialkräfte sind jene Elitesoldaten, die gerufen werden, wenn alles andere versagt oder ein Erfolg nur im Geheimen wahrscheinlich ist. Ich habe mittlerweile 70 Truppenbesuche absolviert, habe vier Bücher zu militärischen Themen geschrieben und bin seit Jahren intensiv mit Spezialkräften unterwegs.

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Wer führt dort und wie?
Konkreter Fall: Der Geheimdienst ermittelt, dass sich Terrorist X in Land Y versteckt, wo er gefasst und nach Den Haag überstellt werden soll. Wie? Der Terrorist wird nicht freundlich die Tür öffnen, wenn es klingelt. Für so einen Einsatz haben Spezialkräfte aller Länder ihre Kommandotrupps. Meist vier Soldaten mit verschiedensten Fähigkeiten. Einer öffnet Türen schneller als ein Safeknacker, ein Waffenspezialist, ein Funker, ein Medic, genannt Combat First Responder. Wer führt das Team?
Wir aus der Wirtschaft würden vermuten: Ein General ernennt den Ranghöchsten zum Anführer. Aber nein! Die vier entscheiden selber, wer sie führt. Das wiederum hängt weder vom Rang noch von der Hierarchie ab, sondern von nur zwei Kriterien.
Erstens: Wer hat die meiste Erfahrung in dieser konkreten Lage? Wie mir ein Kommandosoldat sagte: „Ich will ja lebend wiederkommen! Und den Auftrag erfüllen.“ Und zweitens: Wem vertraue ich? Wem nicht vertraut wird, der wird nicht zum Truppführer gewählt, selbst wenn er der Ranghöchste oder Erfahrenste ist, weil die Währung dieses Kommandos das eigene Leben ist. Erfahrung und Vertrauen – zwei zentrale Kriterien. In extremen Lagen.


»Ich habe
mittlerweile 70 Truppenbesuche absolviert, habe vier Bücher zu militärischen Themen geschrieben und bin seit Jahren intensiv mit Spezialkräften unterwegs.«


Wie führt man damit?
Von vorne – so heißt das im Militär. Der Truppführer ist live und in Farbe vor Ort. Und er führt mit Auftrag (nicht wie Zivilisten oft mutmaßen rein mit Befehl und Gehorsam): Er gibt vor, was zu tun ist und erklärt, bis wann es zu erledigen ist, zum Beispiel: „Morgendämmerung setzt 04:48 Uhr ein, letzter Termin für Abholung mit dem Helikopter, danach Abbruch!“ Und er vermittelt den Sinn der Aktion, also die Antwort auf die Frage: „Wofür riskieren wir hier unser Leben?“ Sinnvermittlung – in der Wirtschaftspraxis oft ein Schwachpunkt.
Ich kann meinen Mitarbeitern zum Beispiel unmöglich sagen, dass sie ihren wohlverdienten Feierabend sausen lassen müssen, bloß weil die Nachbarabteilung mal wieder Mist gebaut hat. Ich muss mir etwas Sinnvolleres einfallen lassen, das der Wahrheit entspricht. Das macht gute Führung aus.
Zur Führung mit Auftrag gehört auch, dass der Truppführer zwar das Was und Wann vorgibt, das Wie jedoch dem Trupp überlässt: Kommen wir übers Dach ins Terroristen-Versteck? Sprengen wir uns durch die Wand? Robben wir durch die Kanalisation rein? Das entscheidet der Trupp – in der Wirtschaftspraxis arbeiten agile Projektteams meist nach diesem Führungsprinzip. Aber Befehle gibt es dennoch: Gerät der Trupp zum Beispiel in ein Gefecht und der Truppführer befiehlt „Alles volle Deckung!“, dann ist das kein Auftrag, sondern ein Befehl und Befehle werden befolgt. Das eine Prinzip schließt das andere nicht aus. Beide ergänzen sich.

Die Luftfahrt

Wer sitzt im Cockpit einer Linienmaschine? Flugkapitän und Co-Pilot. Einziger relevanter Unterschied: Seniorität (der Kapitän hat mehr Berufsjahre). Wie wird geflogen und geführt? Es gibt links sitzend den Pilot Flying, rechts sitzt der Pilot Monitoring. Wer welche Rolle einnimmt, wird vor jedem Flug einvernehmlich entschieden und auf der Langstrecke auch gewechselt.
Wenn der erfahrenere und hierarchisch „vorgesetzte“ Kapitän dann rechts sitzt, nimmt er ganz selbstverständlich alle Anordnungen seines Pilot Flying an. Das nennt sich „rollengebundene Führung“. Wer die Führungsrolle bekommt, der führt. Einmal ist der Kapitän der Boss, dann wiederum „nur“ einfacher Pilot. Ausnahme: Flugbenzinberechnung. Jeder der 
beiden berechnet vor dem Flug separat für sich. Differieren die Ergebnisse, nimmt man nicht das Ergebnis des Kapitäns (Ober sticht Unter), sondern die höhere der beiden Spritmengen – obwohl 
das Kerosin das Teuerste am Flug ist und die Fluglinie horrende Summen kostet. Das nimmt man in Kauf, weil Sicherheit hier oberstes Gebot ist. In anderen Umfeldern wird das in einigen Hochsicherheitsbereichen ebenfalls praktiziert.

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Im Krankenhaus

Hier herrscht der Nimbus der Götter in Weiß. Der Chefarzt hat das letzte Wort; Führungsprinzip: Ober sticht Unter. Im Normalfall. Im Notfall regiert ein anderes Führungs-prinzip. Bei einer Massenkarambolage auf der A7 Samstagnacht um halb elf zum Beispiel ist laut Dienstplan nur der Chefarzt der Onkologie präsent!
Dann führt er bei 45 Verletzten trotzdem nicht. Denn im Notfallplan steht sinnvollerweise: „Intensivstation vor Chirurgie vor Anästhesie“. Dann hat der Facharzt von der Intensiv die Führung über den Onkologie-Chefarzt, selbst wenn noch ein Anästhesie-Oberarzt da ist. Das Hierarchie-Prinzip der Führung wird gekippt; der Sinn dahinter: Geschwindigkeit und Leben retten.


»Intensivstation vor Chirurgie vor Anästhesie, bedeutet, dass in diesem Fall der Facharzt der Intensivstation die Führung vor dem Chefarzt der Onkologie übernimmt.«


Die Big Five

Die drei Branchen sind völlig verschieden. Trotzdem fördert die Abstraktion fünf verbindende und zentrale Prinzipien herausragender Führung zutage:

  1. Führen mit Auftrag
  2. Motivation & Sinnvermittlung
  3. Vertrauen und Verantwortung
  4. Kritik und Feedback
  5. Werte und Haltung

Führen mit Auftrag haben wir bei den Spezialkräften betrachtet und dort auch die Sinnvermittlung gestreift. Was Motivation angeht: Sie entsteht intrinsisch. Man kann von außen lediglich die Rahmenbedingungen setzen, damit die Mitarbeiter Motivation entwickeln oder behalten:

  1. Lob und Anerkennung
    Nicht in erster Linie Gehalt, wie die Erfahrung zeigt (Gehalt ist Hygienefaktor)
  2. Sinnvermittlung
  3. Selbstwirksamkeit
    Menschen arbeiten motiviert, wenn sie etwas bewegen können, also lassen gute Führungskräfte Gestaltungsspielräume.
  4. Entwicklung
    Wer zehn Jahre lang denselben Job macht, schaltet ab.
  5. Ein Wir-Gefühl erzeugen

Vertrauen und Verantwortung

Die zentrale Bedeutung von Vertrauen wurde vor allem bei den Spezialkräften deutlich. Verantwortung übernehmen bedeutet: sowohl für Erfolg wie auch für Misserfolge. Beförderungen in der Wirtschaft basieren weniger auf Vertrauen als stärker auf dem Potenzial des Kandidaten. Weil es hier nicht um Leben und Tod geht? Ja, auch. Aber auch, weil bislang zu wenig Wert darauf gelegt wurde. Das ändert sich in Krisenzeiten zunehmend.


»Wer führen will, muss dienen können!
Ein wenig Demut hilft durchaus.
Gilt nur beim Militär? Gilt überall!«


Kritik und Feedback

In Konzernen erfolgt das oft nur in eine Richtung: von oben nach unten. Vorgesetzte bekommen selten direktes Feedback, wie gut sie führen oder ob man ihnen vertraut. Das ist schädlich, denn ohne 360°-Feedback kann man nicht besser werden – und hinter dem Rücken vom Chef kritteln die Leute dann herum. Das schadet. Feedback(fähigkeit) nützt.

Werte und Haltung

„Wer führen will, muss dienen können!“ Ein wenig Demut hilft durchaus. Gilt nur beim Militär? Gilt überall. In vielen Situationen weiß es ein subalterner Experte einfach besser – und dann ist es schlau, ihm auch als Chef zu folgen, anstatt den höheren Rang herauszukehren. Natürlich kann ich als Chef alles per Anweisung durchsetzen – aber motivierend ist das nicht und damit keine gute Führung. Da kann man besser führen – auch ohne Elitesoldat, Pilot oder Oberarzt zu werden. Zum Beispiel mit den Big Five guter Führung. Und das wollen wir doch, oder?

Kernaussage:

Wiebke Köhlers Bericht verdeutlicht, dass exzellente Führung weit über Hierarchien hinausgeht und auf fünf essenziellen Prinzipien basiert: klare Zielvorgaben, Sinnstiftung, Vertrauen und Verantwortung, konstruktives Feedback sowie Werte und Haltung. Diese „Big Five“ der Führungskunst, inspiriert von extremen Anforderungen im Militär, der Luftfahrt und dem Gesundheitswesen, sind auch im unternehmerischen Kontext unverzichtbar.
Hervorragende Führungskräfte schaffen nicht nur Orientierung und Sinn, sondern fördern auch die Eigenverantwortung und das Engagement ihrer Mitarbeitenden. Dabei erfordert erfolgreiche Führung eine Balance zwischen strategischer Klarheit und zwischenmenschlicher Nähe. Köhler zeigt eindrücklich, wie diese Prinzipien eine starke Grundlage für nachhaltigen Unternehmenserfolg bilden.

Über die Autorin

 

 

 

Wiebke Köhler, erfahrene Strategieberaterin und Autorin, hat zahlreiche Führungskräfte bei der Umsetzung erfolgreicher Kulturwandel-Projekte begleitet. Ihre Erkenntnisse basieren auf intensiver Forschung und praktischer Erfahrung in unterschiedlichen Branchen. Mit ihrer Arbeit möchte sie Führungskräfte dabei unterstützen, die Prinzipien exzellenter Führung in die Praxis umzusetzen und nachhaltige Veränderungen zu bewirken.
info@impactwunder.com

Disclaimer
Dieser Artikel basiert auf den Erfahrungen und Erkenntnissen der Autorin Wiebke Köhler. Die beschriebenen Prinzipien und Ansätze sollen inspirieren und als Orientierungshilfe für Führungskräfte dienen. Sie geben Einblicke in bewährte Praktiken aus unterschiedlichsten Branchen, die individuell auf verschiedene Unternehmenskontexte angepasst werden können. Ziel ist es, Denkanstöße für die eigene Führungsarbeit zu liefern und nachhaltige Lösungen für komplexe Herausforderungen aufzuzeigen.

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